Mittwoch, 11. August 2010 Nr.185 Neumünster
Vorstandsarbeit wurde zur Lehrzeit
Ralf Johannsen stellt das Programm für den Jazzclub zusammen
Sie führen Regie, dirigieren große Chöre, malen und zeichnen oder arbeiten als Bildhauer und Autoren. Ihre Werke bieten Stoff für Diskussionen, zum Nachdenken oder einfach zum Genießen. Die Holsteiner Zeitung stellt in loser Folge „Kulturköpfe” aus dem Verbreitungsgebiet vor.
Jon Beate König
Neumünster. Das Gästebett in Kellerbüro hat Ralf Johannsen gerade zur Schreibtischfläche erweitert: Auf der Decke warten Plakate, E-Mails und Programmhefte in ordentlichen Reihen darauf, zum nächsten Jahresprogramm des Jazzclub Neumünster zusammenzuwachsen.
Bis vor vier Jahren war Johannsen Jazz-Genießer mit dem Hang zur Moderne, einfaches Mitglied mit einem privaten Konzertpensum von rund 50 Stück pro Jahr, Dann gab er dem unnachgiebigen Drängen seines Vorgängers Hartwig Vollstedt nach und übernahm nach 23 Jahren Vollstedt-Ära den Vorsitz.
„Der Neue” ist Johannsen nach den zwei ersten, harten Jahren Einfuchszeit nicht mehr. Er weiß die Anrufer, die ihre Formationen in stundenlangen Abendtelefonaten anpreisen, inzwischen zu nehmen. E-Mail schicken für genaue Absprachen, dazu eine Probe-CD schicken, sind die Standard-Ansagen. Im Wohnzimmer-Regal ist für die Auftritts-Angebote ein Bord reserviert. „14,15 CDs nehme ich mit in den Urlaub. Manche muss man auch drei- oder vier Mal hören”, sagt Johannsen. Die Vorstandsarbeit wurde zur Lehrzeit für den Lerntherapeuten: „Ich musste entscheiden lernen”, sagt Johannsen. Manchen Bands muss er absagen, manche vertrösten.
Als langjährige Konzertorte wie „Die Harmonie” oder „Hamanns Gasthof” wegfielen, musste er Alternativen finden, ausprobieren, die Mitglieder bei der Stange halten.
„14 Konzerte, das ist ganz schön stressig”, stellte Johannsen fest und reduzierte auf zwölf pro Jahr. Mit dem Rückhalt aus dem Vorstand prägte er die Programmauswahl neu. Was ihm gefällt, ist drin. Allerdings hat er auch ein Ohr für das Besondere im Klang von Kombos entwickelt, die vom Jazzstil nicht zu seinen Favoriten zählten „Mein Musikgeschmack hat sich erweitert.”
Zwei Marksteine auf dem Weg weg vom Stil des von ihm geschätzten Vorgängers Vollstedt: Das Konzert mit hoch-klassigem Oldtime-Jazz, das Johannsen als Wunschprogramm für die älteren der konstant rund 260 Mitglieder gedacht hatte, floppte überraschend. „Wir hatten ein Minus in der Kasse.” Beim Tingvall-Trio-Konzert, eigentlich ein Geheimtipp, dagegen platzte das Caspar-von-Saldern-Haus aus allen Nähten. Und das, bevor die Formation den begehrten Echo-Jazz-Preis und damit bundesweite Berühmtheit erlangte. Johannsens Gespür wird dem Publikum beim Kunstflecken zugute kommen: Die Gage der inzwischen prominenten Jazzer bleibt für die Stadt bezahlbar.
Was Gastbands ebenfalls zugute kommt, sind Johannsens eigene Erfahrungen als Roadie der Band „Northern Comfort”.
„Bei uns wird eine Mindestgage gezahlt”, ist seine Maxime. „Es muss sich ja auch für die Musiker rechnen.”
Jungen Bands, Gruppen aus der Region will Johannsen ein Forum bieten, nach Möglichkeit auch einmal pro Jahr Workshops für den Nachwuchs im Programm haben. Er ist vernetzt mit der Musikerszene um Arne Gloe und Marco Ramforth. Sein Privatleben veränderte sich durch das Amt: 30 bis 40 Konzerte schafft er noch pro Jahr, mehr geht nicht Die Clubkonzerte zählt er nicht dazu: „Da werde ich so oft angesprochen, dass ich von der Musik nicht wirklich etwas mit bekomme.” Wenn ich Bands hören will, muss ich sie ein zweites Mal einladen.
Wie lange er noch in der ersten Reihe steht? „Mein Vorgänger hat es bis zu seiner Pensionierung gemacht.” Und dann noch zwei Jahre länger: So lange musste er Johannsen beknien.